Garda sagte in beschwörendem Tonfall, wie ein Priester, der seine Gemeinde von der Kraft und Stärke Gottes überzeugen will, dass alles nur Willenssache sei. Die Macht des Geistes schien für Garda grenzenlos. Grenzen setzten sich die Menschen nur durch ihre Angst, beteuerte sie. Ein eiserner Wille könne auch das Unmögliche möglich machen. So solle es im Jahre 1814 in London ein Frau gegeben haben, die sich vor verblüfftem Publikum ihre Hände in siedendem Blei gewaschen habe, selbstverständlich ohne Schaden zu nehmen.
-- ,,Da können wir ja richtig froh sein, dass wir nur über glühende Kohlen laufen müssen!'', murmelte Sylvia, der man keine Freude ansehen konnte, sarkastisch.
-- ,,Vielleicht kommt das noch!'', sagte Burbacki leise zu Sylvia.
-- ,,Genau! Vielleicht müssen wir uns nach dem Feuerlaufen die Füße in flüssigem Blei kühlen.''
-- ,,Wolff hatte recht, als er sich aus dem Staub gemacht hatte!'', bemerkte Sylvia nun etwas lauter, damit auch Garda es hören konnte.
Frauke und Cedrik war es in der Zwischenzeit gelungen, die Gedanken an Wolff zu verdrängen, so als wäre es nie geschehen. Es war als hätten sie sich wider besseres Wissen der allgemeinen Sichtweise angeschlossen, dass Wolff sich vor dem Feuerlaufen hatte drücken wollen und möglicherweilse sogar in sein Hotelzimmer zurückgekehrt sei.
-- ,,Noch so ein moderner Mythos!'', flüsterte Cedrik zu Gumbrecht und Frauke, die neben ihm standen. ,,Die Menschen glauben wirklich jeden Scheiss!''
-- ,,Aber manche Sachen kann man wirklich nicht erklären! '', bemerkte Frauke.
-- ,,Da gibt es einfach nichts zu erklären. So kann es sich einfach nie zugetragen haben. ...
Garda schaute kurz irritiert in seine Richtung. Sie konnte nicht verstanden haben, was er sagte, aber sicherlich hatte sie gespürt, dass es nicht wohlwollend gewesen war.
Es gäbe so etwas wie eine Feuerresistenz, fuhr sie scheinbar unbeirrt dann fort, aber Cedrik glaubte nun eine gewisse Unsicherheit in ihrer Stimme zu hören, immer wenn sie in seine Richtung schaute.
-- ,,Ein Schmied in Maryland, ein Abkömmling von Sklaven konnte eine glühende, ...eine rotglühende Schaufel so lange gegen seine Füße halten, bis die Schaufel abgekühlt war. Mit der Zunge konnte er daran lecken, bis sie ganz schwarz war.''
-- ,,Wer sagt, dass das wirklich so war?'', fragte Cedrik skeptisch und außer Gumbrecht schauten ihn alle verwundert wegen seiner ständigen Skepsis an.
-- ,,Die Herald Tribune hatte darüber berichtet. Dort stand auch, dass die Ärzte seinen Körper untersucht hatten und keinerlei Verletzungen festgestellt hatten.''
-- ,,Wann hatten sie ihn untersucht? Vorher oder nachher?'', fragte Cedrik und erhielt diesmal vorsichtiges Gelächter von allen außer Willach. Willach schien plötzlich verärgert.
-- ,,Ich glaube, sie haben überhaupt nicht verstanden, was Garda uns sagen wollte!'', wies ihn Willach zurecht.
-- ,,Ich bin halt kein rekigiöser Mensch!'', konterte Cedrik.
-- ,,Also ich glaube, dass das funktioniert!'', sagte Willach ,,Ich habe schon oft darüber gelesen!''
-- ,,Über den Schmied oder das Blei?'', fragte Cedrik bissig, obwohl ihm klar war, dass Willach das Feuerlaufen gemeint hatte.
Willach war sichtlich bemüht, selbstbewusst zu erscheinen, auch wenn er verkniffen dreinschaute. Für ihn war es eine weitere Herausforderung. Wenn die Firma, vertreten nun von Garda, es von ihm verlangte, dann würde er auch über Feuer und Wasser laufen.
Alle sollten sich nun ihres Schuhwerkes entledigen, sagte Garda.
-- ,,Wir sollen jetzt wirklich barfuß über '', sagte Burbacki ohne seinen Satz zu vollenden.
-- ,,Ja wollen Sie denn lieber mit Ihren schicken Schuhe drüberlaufen?''
Burbacki schaute Sylvia fassungslos und entsetzt an. Es war nicht klar, ob die Vorstellung schmorender Luxus-Schuhe seinen gequälten Gesichtsausdruck verursachte oder die Enttäuschung, dass ihn Sylvia versuchte zu ärgen.
Noch würde niemand laufen, mischte sich Garda ein. Zuerst müssten sie sich noch mental konditionieren, die Feuerresistenz herstellen.
-- ,,Meine Schuhe. Die könnten nur noch schöner werden.'', flüsterte Burbacki zu Sylvia, ,,Schauen sie sich die doch einmal an, zerschlissen und zerkratzt, als wären sie schon Jahre alt. So ein feines Leder ...'', jammerte er beinahe weinerlich.
© Bernd Klein