Warten auf Melissa

Cutu kam sich albern vor auf seinem Schemel im Innenhof von Therons Villa. Hier sollte er warten, während man die Herrin riefe. Zwei Frauen, die ihre Essenvorbereitungen im Freien machten, beäugten ihn neugierig. Die eine, die jüngere der beiden, schauten verstohlen auf ihn, während sie einen Teig knete und die andere, die vom Alter die Mutter, wenn nicht gar die Großmutter, der anderen sein könnte, schaute ohne Scheu auf ihn, wobei sie Fische ausnahm. Als er von einem Diener hereingeführt wurde, schauten sie sich an und lachten. Er wunderte sich über sich selbst, dass ihn dieses Lachen irritierte, dass es ihm so vorkam als lachten sie über ihn. Normalerweise konnte kaum etwas sein Selbstbewusstsein tangieren, aber plötzlich kam er sich vor wie ein unerfahrener Jüngling. Es war ihm, als flüsterten sie zueinander, noch etwas Nektar für unser Bienchen. Plötzlich bereute er es vorbeigekommen zu sein, dabei hatte er lange mit sich gerungen. Sicherlich wäre er nicht gekommen, wenn sie nicht bei der Verabschiedung nochmals vielsagend und mit einem Augenzwinkern, was Theron nicht bemerkte, zu ihm gesagt hätte, dass er ja nun wisse, wo er die Informationen herbekommen könne. Für ihn war Melissas and Therons Abschied überraschend gekommen, denn er war so auf das Kottabosspiel konzentriert gewesen, dass er nicht bemerkt hatte, dass Melissa immer wieder auf ihren Mann einredete, endlich mit ihr zu gehen, sie sei zu müde, um dem albernen Spiel weiter beizuwohnen. Schließlich hatte sie ihren Mann energisch aus den Reihen der Kottabosspieler weggezogen.

Er war verrückt, statt sich schnellstmöglichst in die Sicherheit seines Schiffes zu begeben, so wie Thiphilnia ihn beschwörte, brachte er sich in Gefahr. Cutu bezweifelte mittlerweile, ob Melissa wirklich Informationen für ihn haben könnte. Sie war scharf auf ein, da war er sich sicher. Cutu hatte einen Blick dafür. Er rühmte sich, dass er jeder Frau nur einmal in die Augen zu schauen brauchte und dann wüsste er, ob er bei ihr landen könnte oder nicht. Allerdings gab es nur wenige Frauen, die ihm ernsthaft widerstehen konnten. Selten schaffte es die Natur eine derartige Harmonie zwischen Körper und Geist herzustellen wie bei Cutu. Ein Mann, der andere Menschen auch in hässlichem Äußeren in seinen Bann schlagen würde, aber Cutu war schön. Göttlich schön. Cutu lächelte auf seinem Schemel, als er an die Cvera, die Skulptur, dachte für die er Modell gestanden hatte. Nackt nur mit Helm und Speer steht sein Ebenbild in Bronze im Tempel des Laran in Populonia. Der Künstler, ein Freund von ihm, hatte es so gewollt. Er kenne keinen Menschen, der so sehr dem Gott des Krieges gleichkäme wie Cutu. Ein Gott des Krieges, auf dessen Schlachtfelder kein Blut floss und der nichts von Kriegen wissen wollte, der immer nur in Turans Gebieten wilderte. Turan mit ihren schwarzen Schwänen, die Göttin der Liebe.

Auch wenn Melissa nicht sein Typ war, war Cutu dennoch gekommen. Seine Geilheit hatte ihn in Lebensgefahr gebracht. Er hatte sich eingeredet, dass er nur zu ihr ginge, um Informationen über seinen Vater zu erhalten. Aber in Wirklichkeit hatte er der Versuchung nicht widerstehen können. Er war ein Süchtiger, aber seine Droge waren Frauen. Wie ein Abhängiger konnte er sich nicht verwehren. Auch nicht nach einer Nacht wir der letzten. Er könnte jetzt zufrieden und befriedigt träumend unter einer Zypresse im Schatten liegen. Könnte Frauen mit dem kalten Blick eines Wissenschaftlers passieren lassen. Wie Löwen, die faul und träge im Sand der Savanne nach einem opulenten Mahl einer fetten Gazelle oder Antilope. Sich langsam mit ihrem Schwanz Luft beifächerten und gleichzeitig sich die Fliegen vom Fell hielten. Dann wenn kleiner Nager und Vögel übermütig und fast ohne Angst um die riesigen Raubkatzen wandern können. Dann wenn andere Fleischfresser gefahrlos sich an den Resten der Löwenbeute bedienen können. Nur hin und wieder ein kurzes Aufblitzen des Jagdtriebes in Katzenaugen, aber einen kurzen Augenblick, bevor sich träge die Leider über den Augen wieder schließen. Cutu, war wie ein Raubtier, was auch mit vollem Magen weiterjagte, auch wenn es kaum mehr laufen konnte. Die meisten Männer könnten nach Cutus letzter Nacht kaum mehr eine Frau erregen, aber Cutu war anders. Ihn erregte die Vorstellung, dass er Melissa haben könnte. Auch wenn er, wie er sich selbst einredete, nur gekommen war, um Informationen über seinen Vater zu erhalten.

-- ,,Meine Herrin kommt gleich!'', sagte der Diener, der ihn bereits ins Haus geleitet hatte und dann verschwunden war, um Melissa zu holen.

Die Worte des Dieners irritierten ihn, ebenso wie das erneute Lächeln der beiden Frauen, denen der Diener dafür strafenden Blick zuwarf. Cutu befremdete, da es sich nicht mit seinen Fantasien deckte, dass er mitten auf dem Innenhof, inmitten der Diener auf Melissa warten sollte. Eigentlich hatte er sich vorgestellt, dass man ihn sofort schon bei seiner Ankunft diskret in ein romantisches Zimmer geleitet hätte, eines in dem er mit Melissa alleine und ungestört sein könnte. Als der Diener auf ihn zukam, hatte Cutu erwartet, dass er ihn bitten würde ihm zu folgen. Dass er ihn direkt ins Schlafgemacht seiner Herrin geleiten würde. Aber sein ,,Meine Herrin kommt gleich!'' war wie eine Niederlage. Wie sollte es nun weitergehen. Wenn Melissa in den Innenhof käme könnte inmitten der Dienerinnen und Diener nur höchst unerotisch weitergehen.

-- ,,Ist dir jemand gefolgt?'', fragte ihn Melissa sofort nach der Begrüßung und Cutu spürte, dass sein Besuch entgegen ihrer Einladung der letzten Nacht nicht willkommen war.

Warum er gekommen sei, fragte sie ihn gehetzt, und er fühlte, dass es ihr am liebsten wäre, wenn er unverzüglich wieder ginge. Als er sie daran erinnerte, dass sie ihm doch gesagt habe, dass sie weitere Informationen über seinen Vater habe, wehrte sie ab. Er solle nicht sich und andere in große Gefahr bringen. Ihr Geschäft stehe auf dem Spiel. Wenn herauskäme, dass er sie besucht hätte, könnten sie einpacken.

-- ,,Du solltest jetzt gehen!'', sagte Melissa.

-- ,,Nicht bevor du mir sagst, was du weißt!''

-- ,,Ich weiß nichts!'', sagte sie und Cutu spürte, dass dies nicht stimmte. ,,Aber wenn du mehr über den Tod deines Vaters wissen willst, solltest du dich an Sethre Unata wenden! Er habe seinen Hof direkt bei dem Karthager Abdanitu. ...Und jetzt solltest du wirklich gehen!''.

© Bernd Klein