Kottabus

Die Diener schienen plötzlich aufgeregter und emsiger wie zuvor herumzulaufen. Für Cutu und die anderen Gäste ein untrügliches Zeichen, dass ein neuer interessanter Programmpunkt des Festes bald beginnen würde. In Fufluna würden Sie nun nach dem ausgelassenen Mahl Kottabos spielen, dachte Cutu. Möglicherweise könnte dies nun auch in Alalia die nächste Attraktion sein. Immerhin waren viele Sitten und Gebräuche in Alalia und Fufluna sehr ähnlich. Cutu war sich nicht sicher, ob ihn die Erwartung des Spiels nervte oder freute. Eine Stange mit einem schweren runden Bronzefuß in der Mitte von Neries Festsaal bezeugte, dass sich dieses Spiel auch in Alalia großer Beliebtheit erfreute, was nicht verwunderlich war. Schließlich handelte es sich um ein Spiel, welches von den Griechen erfunden worden war, wahrscheinlich von einer griechischen Kolonie in Sizilien, und Alalia war auch eine griechische Gründung. Eine Stadt, die kaum doppelt so alt wie Cutu war und deren Gründung sein Vater als junger Mann miterlebt hatte. Auch wenn die Etrusker in der erst wenige Jahre zurückliegenden Seeschlacht vor Alalia zusammen mit den verbündeten Kathagern gegen die Phokäer knapp verloren hatten, waren sie in ihrem Hauptanliegen erfolgreich, den Expansionsdrang der Griechen in ihrem Einflussbereich zu brechen und sie zurückzudrängen. Die Griechen hatten so viele Schiffe verloren, dass sie Korsika und Sardinien aufgeben mussten. Die Karthager übernahmen Sardinien und fortan gehörte Korsika und damit auch Alalia zum Einflussbereich der Etrusker. Aber ihren griechischen Charakter ebenso wie den Großteil der griechischen Einwohner hatte die Stadt behalten.

Unter Neries Gästen, die bequem und mit prall gefüllten Bäuchen auf ihren Liegen lagen, breitete sich Unruhe aus. Sie fürchteten oder spürten, dass man sie aufscheuchen wollte. Neries Kottabosstange hatte Cutu bereits während der allgemeinen Besichtigung seiner Villa zu sehen bekommen. Nerie hatte seinen Gästen voller Stolz Kunstwerke gezeigt, auf die jeder Sammler in Etrurien und selbst in Griechenland neidisch wäre. Aber gerade die Einzigartigkeit seiner Besitztümer ließ Nerie bei der Besichtigungsrunde zunehmend nervöser werde. Immer öfter ermahnte er seine Gäste vorsichtig zu sein, wenn sich die Gruppe zwischen seinen wertvollen Skulpturen und exotischen Töpferwaren durchschlängelte. Besonders kribbelig machte es ihn, wenn sie sich vor besonders wertvollen Stücken zusammenklumpten, dann, wenn eine einzige unachtsame Bewegung ein Vermögen und, noch schlimmer, unwiederbringlich ein unersetzliches Erinnerungsstück in Scherben legen könnte. Gegenstände, von denen manche, verglichen mit ihren anderen Schätzen, nahezu wertlos waren, aber von fernen Orten und lang zurück liegenden Zeiten zeugten. Vasen, in deren dickbäuchigen Inneren das Glück vergangener Tage schlummerte.

Nerie war mit Recht auf seine kunstvoll geschmiedete Kottabosstange stolz, denn sie war eine Arbeit des besten Künstlers von Velathri, Aranth Matuna. Matuna war ein Bildhauer, der seine Kunst bei den Griechen gelernt hatte, aber nach allgemeiner Überzeugung die Kunstfertigkeit seiner Meister übertraf. Nur ein so wohlhabender Stadtstaat wie Velathri, welches später den Namen Volterra erhalten würde, konnte sich einen Künstler wie Matuna leisten, und nur Leute wie Nerie konnten seine Werke bezahlen. Eine Stange so lang wie ein großer Mann, der seine Arme weit nach oben streckt. An ihrer Spitze wartet ein ewig auf einem Bein stehender nur eine Handlänge großer bronzener Jüngling darauf, dass man auf den Fingern seiner oben gestreckten rechten Hand einen Teller ausbalanzieren würde. Ziel des Spiel wäre es dann, Weinreste aus den Trinkschalen in Richtung Teller zu schleudern. Manche spuckten auch den Wein direkt in Richtung Ziel, was in Fufluna als Regelverletzung galt. Jeder Latax, wie man sowohl den verspritzten Wein als auch das klatschende Geräusch nannte, wenn der Wein auf dem Boden aufkam, würde mit lautem Gejohle und Lachen kommentiert. Wenn es dann jemandem gelänge den Teller mit Weintropfen aus der Balance zu bringen, würde man die Zukunft in den Scherben zu lesen versuchen und unter Zukunft verstand man oft die unmittelbar bevorstehende, die am meisten interessierende, die Frage, wie es mit dem Liebesglück aussah. Dem Sieger winkte oft als Preis ein Kuss oder eine heftige Umarmung der schönsten Dienerin. Je nach Gästen konnte als Preis dafür auch die Hausherrin zur Verfügung stehen. Die wüsten Orgien, die von Künstlern immer wieder für die Nachwelt festgehalten wurden, entsprachen im Wesentlichen der Phantasie der Maler. Männerphantasien, denen Cutu auch in Neries Garten nachging. Sein Traum war weder besonders anspruchsvoll noch phantasievoll. Zunächst würde es ihm genügen, wenn neben ihm auf der Kline eine der hübschen Dienerinnen Neries läge. Sie beide dann unter einer dünnen Decke, Unterkörper bedeckt, nackt. Er sitzt hinter ihr, sie lehnt sich an ihn, Kopf verträumt nach hinten gerichtet, zu den Sternen, denkt Cutu in Neries Garten, und seine Hand umfasst eine ihrer prallen Brüste. Seine Phantasie ein exaktes Abbild der Darstellung der Kottabus-Szene auf seiner Lieblings-Amphore in seinem Haus in Fuflana. Aber neben ihm auf der Kline lag keine hübsche, lag überhaupt keine Frau. Vulca hatte dort gelegen, aber war schon zu Beginn des Essens weggegangen. Für Cutu war dies nichts Besonderes. Vulca blieb nie gerne lange an einem Ort, vor allem nicht bei einem Fest. Vulca wirkte immer so, als habe er Angst etwas zu verpassen. Während sich jemand mit ihm unterhielt, beobachtete er konzentriert die anderen Gäste, um zu sehen, wo sich eine interessante Gruppe bildete oder ein interessantes Gespräch anbahnte. Gesprächspartner hatten allzu häufig das Gefühl, dass er ihnen nicht richtig zuhörte, auch wenn er noch so freundlich und galant redete und ihnen sein gewinnendes Lächeln schenkte. Vulca wirkte immer unter Zeitdruck, war immer auf dem Sprung zu anderen.

Mittlerweile war allen Gästen klar, denn einige Diener hatten es verraten, dass man nun wirklich Kottabus spielen würde. Ein allgemeines Nörgeln begann, denn implizit gingen alle davon aus, dass man zum Spielen ins Innere des Hauses müsse. Im Festsaal wäre es stickig und schwül. Man könnte doch einfach die Stange in den Garten herausbringen.

-- ,,Ich will's nicht glauben'', sagte der Grieche, der auf der Liege neben Cutu lag, ,,aber ich fürchte, die wollen uns ins Haus treiben.''

-- ,,Also ich bleibe hier, ich habe keine Lust mich ins Haus zu begeben, in den Gestank von verbranntem Kienspan und Bienenwachs.'', sagte seine Ehefrau Melissa, die neben dem Griechen unter einer dünnen Decke lag.

Melissa bedeute Biene auf Griechisch, hatte Theron Cutu erklärt, als er sich und seine Frau vorstellte. Melissa hieß auch die Nymphe, die Zeus mit ihrer Schwester Amaltheia großzog. Sie versteckten das Baby vor seinem kinderfressenden Vater Kronos. Mit Chronos kam die Zeit. Seine Eltern waren Kinder des Chaos. Seine Mutter Gaia war Erde und Materie, eingebettet in Himmel und Universum, ihr Gatte Uranus, der erste Herrscher der Welt. Kronos entmannte auf Geheiß seiner Mutter Gaia, die den riesigen die Erde malträtierenden Phallus ihres Gatten, nicht mehr ertragen wollte, seinen Vater Uranus mit einer Sichel aus Feuerstein und wurde zum Herrscher über Himmel und Erde. Rund um das göttliche Glied, das Kronos bei Kythera ins Meer geworfen hatte, tobte das Meer und mischte Blut und Samen zu einem Schaum, der die Göttin der Liebe und Schönheit Aphrodite gebar.

Auch ohne Weissagung hätte Kronos fürchten müssen, dass ihm eines Tages Ähnliches durch seine Kinder widerfahren würde. Aus seiner Angst wuchs er zum kinderfressenden Ungeheuer. Eines nach dem anderen verschlang er sofort nach der Geburt seine Kinder bis Gaia ihm, als Zeus geboren wurde, mit einem in Windeln gewickelten Stein hereinlegte. Er verschlang den Stein im Glauben wieder einen zukünftigen Vatermörder vernichtet zu haben, aber Zeus wurde der Nymphe Melissa in Obhut gegeben. Melissa plünderte Bienenstöcke um seinen schier unstillbaren Hunger nach Honig zu befriedigen. Die Titanen verwandelten sie als Strafe dafür, dass sie Zeus versteckte, in ein niederes Gewürm. Zeus empfand später Mitleid mit ihr und verwandelte sie in eine ewig Honig sammelnde Biene.

Cutu musste unwillkürlich lachen, als Theron sagte, dass Melissa Biene bedeute und Theron deutete sein Lachen richtg. Cutu dachte, dass es mächtiger Flügel bedürfte, um ihren mächtigen Körper in die Luft zu bekommen.

-- ,,Melissa war früher wirklich so zart und leicht wie ein Bienchen!'', sagte Theron, während er sie liebevoll umarmte und die Fettmassen ihrer Oberarme knete.

-- ,,Damals warst auch du noch schlank und athletisch!'', hatte Melissa scherzend aber auch ein wenig pikiert gekontert.

Beiden sah man an, dass sie ihren Honig nicht mit Zeus teilen mussten. Ihrer beiden Lieblingsbeschäftigung war das Essen, das war Cutu im Laufe der Unterhaltung klar geworden. Sie waren stolz auf ihre üppigen Körper, denn was könnte eindrucksvoller ihren Wohlstand symbolisieren. Immer wieder schwärmten sie von den diversen Delikatessen, die sie schon genossen hatten. Sie prahlten mit exotischen Speisen, deren Namen Cutu zum Teil noch nicht einmal kannte. Während sie die kulinarischen Genüsse, die sie in Alalia und an anderen Orten der Welt sich bereits einverleibt hatten, ausdrucksstark und voller Begeisterung beschrieben, nahmen ihre Gesichter einen genüsslich genießenden Gesichtsausdruck an, so als zergingen die Delikatessen nochmals auf ihrer Zunge, so als stimulierten gerade in diesem Augenblick die Gewürze aufs Neue ihre Gaumen. Jedes Gericht von Neries opulentem Menu war von ihnen fachkundig kommentiert und mit anderen Gelagen verglichen worden. Aber auch wenn viele Gerichte ihrer fachmäßigen Kritik nicht gewachsen waren, verschmähten sie nichts. Selbst als sie so vollgestopft sein mussten, dass es Cutu von der Vorstellung beinahe übel wurde, schwärmten sie weiter von Leckerbissen und fieberten der nächsten Einladung bei anderen Patriziern Alalias entgegen.

Aber trotz der nicht enden wollenden Schlemmerphantasien verpassten sie auch keine Gelegenheit Cutu wissen zu lassen, dass Theron nicht nur der reichste Händler von Alalia sondern von ganz Korsis war. Auch in Sizilien und Karthago gehöre er zu den ganz Großen.

Cutu hatte das Gefühl, dass Melissa auch ihn genüsslich und begehrlich wie eine besonders delikate Speise anschaute. Während sie sagte, dass ihr Mann früher athletisch gewesen sei, vermaß sie seinen durchtrainierten jugendlichen Oberkörper. Cutu richtete sich auf, ließ seine Brust anschwellen und spannte seine Armmuskulatur. Theron ignorierte das Protzgehabe, indem er vorgab nach einem Diener wegen einem Leckerbissen Ausschau zu halten. Melissa zeigte offen ihre Bewunderung und zauberte ein breites offenes Lachen, das eine goldene Brücke in ihrem Mund für zwei fehlende Zähne zeigte. Ein Meisterleistung eines etruskischen Goldschmiedes. Über ihrem dicken Busen eine schmale Fascia, ein Vorgänger des modernen BH.

-- ,,Stark bin ich immer noch!'', wehrte sich ihr Mann jovial grinsend, wobei er seine Hüfte räkelte und damit klar machte, dass seine Stärke nichts mit einer olympischen Disziplin gemein hatte. ,,Wenn so eine wilde Etruskerin mal Lust hätte, mich ...''

-- ,,Also das möchte ich sehen!'', sagte Melissa beinahe sarkastisch ,,Außerdem sind die Etruskerinnen viel besser als ihr Ruf in Griechenland.

-- ,,Ja leider!'', grinste Theron, ,,In Griechenland hieß es immer ,,die etruskischen Frauen lägen beim Mahl nicht bei ihren Ehemännern, sondern mit wem sie gerade Lust hätten und sie tränken dem zu, nach dem es sie gerade begehrte. Aber das stimmt alles nicht. Die liegen brav bei ihren Männern ...''

-- ,,Dich würde es doch am meisten stören, wenn ich zu einem anderen Mann ...''

-- ,,Du bist ja eine Griechin, für die gehört sich das nicht!'', sagte Theron lachend, aber man spürte, dass er es ernst meinte.

-- ,,Und ich bin stolz darauf eine Griechin zu sein.'', sagte Melissa plötzlich mit verfinsterter Mine und sprach Cutu direkt an, ,,Du kannst dir ja nicht vorstellen, wie primitiv hier alles ist. Wenn man aus Griechenland kommt und das Leben in Karthago und Sizilien kennengelernt hat, dann ist das ein Abstieg hier zu leben! Der wilde Westen. Eine kulturelle Wüste! Aber mein Mann wollte ja unbedingt hierher, der Geschäfte wegen. Lieber arm in Griechenland, als reich in Alalia.''

-- ,,Wer hat denn immer in Griechenland und dann auch in Sizilien gejammert, dass wir nicht genug Geld hätten?'', fragte Theron sie bissig.

-- ,,Außerdem haben die Etrusker in vielen Dingen ihre Lehrer übertrumpft!'', wehrte sich auch Cutu.

-- ,,Etrurien ist die große Ausnahme, denn dort kann man sich wie in Griechenland fühlen!''

-- ,,Kein Kottabos?'', fragte Theron plötzlich enttäuscht, denn er hatte Neries Aufforderung, dass sich alle Gäste bitte in den hinteren Teil des Gartens begeben sollen, dahingehend interpretiert.

-- ,,Jetzt sei doch wenigstens froh, dass wir nicht ins stickige Haus müssen!'', korrigierte ihn Melissa.

Cutu dachte, dass es ihm eigentlich egal sei, ob sie nun Kottabos spielten oder nicht, aber er hatte sich bereits mit der Idee angefreundet, im Festsaal gemütlich von seiner Liege aus zu spielen, während die Sklaven ihn mit frischem Wein versorgten. Auch wenn er vorher noch das Gefühl hatte, soviel gegessen zu haben, dass seine Beine ihren Dienst versagen könnten, hatte er nun wieder Zutrauen in seine Glieder.

-- ,,Wär's möglich, ein paar Sklaven zu bekommen, die uns hinübertragen?'', rief Theron scherzhaft in Richtung Nerie.

Zwei Diener, die sich gerade in ihrer Nähe befanden, rannten erschrocken nach einem abwiegenden Blick in Richtung Melissa und Theron weg. Sie wollten aus der Reichweite sein, falls ihr Herr dem Wunsch der Gäste nachkommen würde. Aber Nerie hatte es nicht gehört oder tat so, als sei das Begehren nicht bei ihm angekommen.

Die anfängliche Unlust ihre Plätze zu verlassen war bei den meisten Gästen einer freudigen Erwartung auf etwas Besonderes gewichen und das griechische Schlemmerpaar ließ sich auch davon anstecken. Ihr Mann eilte voraus und Melissa ergriff Cutus Hand, zog ihn von der Kline und führte ihn in den hinteren Teil des Gartens und drückte dabei immer wieder Cutus Hand.

Der hintere Teil des Gartens war bei Weitem der schönere Teil, aber der vordere eignete sich besser für die Party, da er weniger bewachsen war. Nerie hatte seine Gäste zu dem kleinen Teich geführt, der im goldenen Licht der Fackeln funkelte. Cutu glaubte im Lichtschimmer eine Gestalt auszumachen, die scheinbar mitten auf dem Wasser saß. Die drei Flötenspieler, in kurzen Gewändern, hatten die Gäste musizierend begleitet und positionierte sich in der Nähe des Wassers. Sie spielten einer lebhaften Melodie und bewegten sich tänzerisch dazu, ebenso wie eine Frau in langem dünnen Gewand, die mit kastagnettenartige Klappern einen wilden Rhythmus dazu schlug. Nerie klatschte in die Hände und eine Gruppe von Tänzerinnen und Tänzern eilte in den Garten und bewegte sich geschmeidig und in lasziven Figuren zu der Musik. Ihre geölten fast nackten Körper glänzten im gelblich rötlichen Licht der Fackeln. Rohrkolben, die mit Bienenwachs umhüllt waren.

Cutu brauchte nicht den gierenden Blicken von Theron und den anderen Männer zu folgen. Er hatte sie sofort wahrgenommen. Vielleicht schon vor den anderen. Inmitten eines kleinen Teichs, der eigentlich nicht zum Schwimmen gedacht ist, aber dennoch ein paar Schwimmzüge erlauben würde. Anmutig wie Alpanu saß Thiphilnia auf Unterschenkel und Fußsohlen knieend in einer extrem flachen Wanne. Nackt und bewegungslos, denn ihr Boot hatte nur so geringen Tiefgang, dass auch kleinste Bewegungen es zum Kentern bringen konnten. Cutu wunderte sich, wie man sie überhaupt in diese Position gebracht haben konnte. Er ahnte, welche Variante des Spieles sie erwarten würde. Es gefiel ihm nicht, aber gleichzeitig wollte er gewinnen. Er sagte sich, er musste gewinnen, damit niemand anderes gewänne. Er war derjenige, der sie nicht als Kottabus-Trophäe betrachtete. Für ihn war sie eine Göttin, auch wenn sie sich erniedrigte.

-- ,,Wenn du morgen Vormittag in unserem Haus vorbeikommst, kannst du was erfahren!'', hörte Cutu plötzlich eine geflüsterte Frauenstimme.

Während sich Cutu zu Melissa wendet, schaut sie demonstrativ mit einem Blick voller Abscheu in Richtung Thiphilnia.

-- ,,Über meinen Vater?'', fragte Cutu, denn vor einer Weile hatte er Melissa und ihrem Mann den Grund seiner Reise erzählt.

Der edelste unter den Edlen sei sein Vater gewesen, hatte Theron mit betroffenem Gesichtsausdruck in orientalischer Übertreibungssucht gesagt. Nur übertroffen von seinem göttlichen Sohn, schränkte Melissa das Lob ihres Mannes ein, oder besser gesagt, dehnte es auf Cutu aus.

-- ,,Ja, auch über deinen Vater ...'', sagte Melissa und schaute dabei Cutu verwundert und enttäuscht an. ,,Männer sind einfach dumm ...'', sagt Melissa dann und Cutu fühlte sich definitiv angesprochen, auch wenn dabei in Richtung ihres Mannes schaute, der unverhohlen und mit verklärtem Gesichtsausdruck zu Thiphilnia starrte.

-- ,,Nicht alle ...'', sagt Cutu, aber nicht mit seinem gewohnten Charm und Überzeugungskraft, denn seine Aufmerksamkeit gilt Nerie, der gerade die Regeln des Spiels erklärt.

Spucken sei verboten ebenso eine zu volle Schale zu benutzen, sagte Nerie und warnte, dass jeder der es versuchte automatisch ausschiede. Der Wein dürfe nur durch leichte Drehung der Schale um den Zeigefinger verspritzt werden. An der Reihe sei, wer eine Frage richtig beantworten könne.

Cutu musste gewinnen und Cutu spürte, dass er gewinnen würde. Es entsprach seiner Erfahrung, dass etwas gelang, wenn man es nur intensiv genug wollte. Wie beim Speerwerfen im Wettkampf aber auch bei der Jagd, wenn er das Ziel ganz knozentriert im Auge hat und vor allen Dingen, wenn er keinerlei Zweifel hat, zu fehlen, dann gelingt ihm alles. Thiphilnia war seine Göttin und er würde auch diesmal nicht fehlen. Es mussten nur die richtigen Fragen kommen und daran durfte er nicht zweifeln.

© Bernd Klein