Burbacki steht mit schlotternden Knien vor dem Abgrund. Ein Aussichtspunkt auf einem Felsvorsprung, der nach Burbackis Einschätzung mindestens dreißig Meter senkrecht in die Tiefe fällt. Aber vor dem Abgrund sieht alles tiefer und steiler aus, vor allem für Menschen ohne jegliche Bergerfahrung wie Burbacki. Statt dreißig Meter sind es höchstens zehn und senkrecht heißt in diesem Fall etwa sechzig Grad. Aber solche Klarstellungen würden die Panik, die Burbacki erfasst hat, nicht mindern. Erstarrt klammert er sich an das morsche Holzgeländer. Nur seine Augäpfel traut er noch zu bewegen und durchkämmt blinzelnd im Licht der noch tief im Osten stehenden Sonne das weite dicht bewaldete Tal.
-- ,,Was da vorne so blau glitzert, ist wohl ein Fluss und da unten auch! Das heißt, der Fluss fließt auch durch das Tal, wir können ihn nur nicht sehen wegen dea Waldes ...'', sagt Cedrik, der neben Burbacki steht.
-- ,,Wow! Scharfsinnig beobachtet, Herr Kollege!'', kommentiert Dr. Wolff, ,,Aber vielleicht versickert der Fluss auch um dann wieder dort unten aufzutauchen. ...Oder er hat mal ne Weile keine Lust zu fließen und fährt ein paar Stationen mit Dschungel-U-Bahn weiter.''
-- ,,So viel Phantasie hätte ich ihnen gar nicht zugetraut!'', sagt Cedrik verärgert.
-- ,,Sie werden Gelegenheit haben sich zu überzeugen, was dort ist,'', mischt sich Garda ein ,,denn sie müssen dort oben hin und dazu müssen wir das ganze Tal durchqueren!''
-- ,,Ich nicht!'', stammelt Burbacki.
Nicht nur die Tiefe lässt ihn wie Espenlaub zittern. Weitaus bedrohlicher wirkt auf ihn das schier endlos wirkende Tal, in dem er keine Anzeichen menschlicher Nutzung ausmachen kann. In Wäldern befällt ihn immer eine vage frühkindliche Angst, weshalb er sie prinzipiell meidet. Eine Angst, die er von seinem Vater übernommen hatte. Während andere Kinder über ausgedehnte Spaziergänge klagten, gab es in seiner Familie keine solchen sonntäglichen Pflichtübungen. Bäume lernte er fast nur als Schattenspender in Vorgärten und als Straßenbegrenzungen kennen. Das waldähnlichste, was er sich als Kind vorstellen konnte, waren Stadtparks. Dort lauern jedoch keine Gefahren, denn in diesen von Gärtnern gepflegten Orten gibt es kein undurchdringliches Unterholz, in dem Gefahren lauern könnten. Selbst wenn, würden sie vom knirrschenden Geräusch der Jogger im Kies, vom Bellen der Hunde und den Rufen ihrer Herrchen und Frauchen und dem Gekreische der Kinder auf dem nahen Spielplatz verjagt werden.
Schon auf dem Parkplatz hatte Burbacki diese Angst gespürt. Ein kleiner verlassener Parkplatz, auf dem ihr Kleinbus das einzige Fahrzeug war. Ein Platz inmitten riesiger alter Bäume und dichtem Unterholz. Die Einfahrt von der Straße konnte er nicht mehr sehen. Beim Ausstieg aus dem Bus wirkte er wie Neil Armstrong, innehaltend ob er es wagen könnte, den ungeteerten und unbetonierten unirdischen Boden zu betreten.
Burbacki verstand nicht, was Garda zu dem Fahrer des Wagens auf Italienisch gesagt hatte, aber als der Wagen wegfuhr, wurde er unruhig und seine erste beinahe Panikattacke hatte er, als Gumbrecht zu ihm und den anderen sagte, dass er verstanden hätte, dass der Fahrer heute Abend mit den Zelten und den Schlafsäcken am vereinbarten Platz erscheinen sollte.
-- ,,Sollen wir etwa hier draußen im Wald übernachten?'', brüllte Burbacki vor Entsetzen, während sich die Finger seiner rechten Hand Halt suchend an seine Krawattennadel klammerten und seine linke sein Handy in der Tasche umkrallten. Aber auch den anderen schienen von der Idee nicht begeistert gewesen zu sein.
-- ,,Wenn Sie gestern im Seminar richtig aufgepasst haben, wüssten Sie, dass ich Ihnen diese Frage nicht beantworten darf. Ein Ziel des Seminars ist doch schließlich, dass Sie besser mit unvorhergesehen und ungeplanten Situationen zurecht kommen lernen. Eines kann ich ihnen jedoch versichern: Freitag Abend ist das Seminar offiziell zu Ende! Es stehen ihnen also maximal drei Übernachtungen in der `Wildnis' bevor'', hatte Garda lachend gesagt, und die meisten versuchten es als Scherz aufzufassen, auch wenn sie glaubten Schadenfreude in ihrem Gesichtsausdruck ausmachen zu können.
-- ,,Also so geht es ja hoffentlich nicht weiter!'', sagt Burbacki vorwurfsvoll zu Garda, während sich seine Finger am Holzgeländer festkrallen.
-- ,,Ich verstehe nicht, weshalb sie so dicht an den Abgrund herangehen, wenn sie nicht schwindelfrei sind?''
-- ,,Niemand hat mich gewarnt!'', sagt Burbacki vorwurfsvoll.
-- ,,Das liegt in der Natur des Menschen!'', sagt Wolff ominös mit bedeutungsvoller Stimme ,,Jeder geht unaufhörlich auf seinen persönlichen Abgrund zu!''
-- ,,Wo hat er das gelesen!'', raunt Frauke zu Cedrik, ,,Auf seinen Mist kann es kaum gewachsen sein!''
-- ,,Manche helfen auch nach! Dann sind sie schneller am Abgrund!'', sagt Cedrik.
-- ,,Bei Leuten die solche Bemerkungen machen, kann es plötzlich ganz schnell gehen!'', erwidert Wolff und man kann ihm ansehen, dass er sich anstrengend, statt seines Zornes eine heitere Mimik zu zeigen.
Kaum einen halben Kilometer waren sie vom Parkplatz zu diesem Punkt gewandert, aber Burbacki hatte die ganze Zeit wie ein kleines Kind genörgelt. Kaum war er hundert Meter gelaufen, musste er sich seine Socken richten und seine Schuhe binden. Er war in der Hocke verblieben, als wolle er eine Rast einlagen. Was denn eigentlich auf dem Schild stehe, vor dem er kniee. Obwohl es so schien, als habe er nur gefragt, um wie ein Kindergartenkind weiter Zeit zu gewinnen.
-- ,,Vietato Cacciare, das heißt, dass das Jagen verboten ist ... jedenfalls außerhalb der Jagdsaison.''
-- ,,Und jetzt ist keine Jagdsaison?'', fragt Burbacki ängstlich.
-- ,,Doch hat gerade begonnen. ...Geht immer so Mitte September los!''
-- ,,Und dann lassen die Touristen einfach so rein, wenn die jagen? Das ist doch gefährlich?'', sagte Burbacki.
-- ,,In Deutschland wird auch nicht der Wald abgeriegelt!'', sagte Garda.
Wenn es nicht Gumbrecht gewesen wäre, hätte jeder sicherlich vermutet, dass er seine folgenden Erläuterungen nur gemacht hätte, um Burbacki zu quälen. Einer Statistik zu Folge seien alleine in der letzten Jagdsaison -- er wisse allerdings nicht mehr, ob es um ganz Italien oder nur die Toskana gegangen sei -- etwa 10 Menschen pro Monat zu Tode gekommen und mindestens doppelt soviele Verletzte und Schwerverletzte. Meistens schössen Jäger auf andere Jäger, aber auch auf Touristen.
-- ,,Aber das ist ja entsetzlich!'', sagte Frauke und Syvia fragte fast gleichzeitig: ,,Aber doch nicht mit Absicht!''
Burbacki kauerte wie ein Hase in der Hocke und gab vor die Schnürsenkel binden zu müssen.
-- ,,Woher soll man es im Nachhinein wissen?'', sagte Gumbrecht ,,Wenn ein Jäger behauptet, dass der Wanderer oder der Kollege plötzlich in seine Schusslinie gekommen sei, oder was auch immer ...''
-- ,,Und mit dem Töten haben Jäger schließlich Routine!'', sagte Cedrik.
Eine Weile wirkte Burbacki danach gehetzt, wie ein Hase oder ein Reh, dem die Jäger auf den Fersen sind. Immer wieder blieb er stehen und vergewisserte sich ängstlich nach allen Seiten, ob keine akute Gefahr drohe. Aber nach einer Weile waren wieder das Wohl seiner Schuhe und seiner Füße sowie der schlechte Handy-Empfang seine Hauptprobleme. Niemand hätte zu Hause etwas von Fußmärschen gesagt, beschwerte er sich. Albern und kindisch fände er die ganze Aktion, wie eine Schnitzeljagd bei einem Kindergeburtstag. Das sei doch nichts für erwachsene Leute. Außerdem sähe er nicht ein, weshalb man schon so früh gestartet sei. So früh fingen sie ja noch nicht einmal mit der Arbeit an. Vor allen Dingen jammerte er ständig über seine `armen' Schuhe. Ob sie sich vorstellen könnten, was die gekostet hätten, fragte er immer wieder mal Garda mal den Rest der Gruppe. Auch wenn es niemanden zu interessieren schien, nannte er unaufhörlich den Preis, und alle fragten sich wohl, wie jemand so bescheuert sein könnte, soviel Geld für Schuhe auszugeben. So ein feines Leder, wie dieses habe er noch nie gehabt. Eine zarte Sohle als gehe man barfuß, aber das sei nichts für diesen schlechten Weg. Er spüre jeden Stein. Außerdem kontrollierte er ständig, ob seine goldene Krawattennadel noch richtig sitzt und ob zwischenzeitig keine SMS auf seinem Handy eingegangen sei, obwohl er dies wegen des miesen Empfangs eigentlich nicht erwarteten konnte.
-- ,,Also wie ist das? ...Geht es so weiter?'', fragt Burbacki, der mittlerweile vom morschen Holzgeländer und vom Abgrund Abstand genommen hatte. ,,Das kann niemand von mir verlangen! Ich bin Wirtschaftsinformatiker und als Produktlinemanager eingestellt! Nicht als Stuntman!''
Aber alle tun so, als hätten sie nichts gehört und bemühen sich nicht in seine Richtung zu schauen.
-- ,,Hier auf der Übersichtstafel steht, dass dies der Teufelspfad sei, die `pista del diavolo' '', sagt Gumbrecht.
Wieso Teufelspfad, winselt Burbacki unverzüglich mit panischem Beben in seiner Stimme.
-- ,,Hat das irgendeine Bewandtnis mit dem Namen?'', fragt Frauke, deren esoterisches Interesse von Gumbrechts Bemerkung getriggert wurde.
-- ,,Sie meinen eine Teufelserscheinung? Erzähl' ich ihnen am besten mal nachts am Lagerfeuer, denn ich glaube, manche können jetzt keine Horrorgeschichten vertragen.'', dabei schaute Garda etwas zu offensichtlich zu Burbacki.
Der Weg sei natürlich auch teuflisch wegen der Macchia. Da käme man meist nicht durch, ohne sich ein paar Kratzer zu holen. Beide Wege führten in ein Gestrüpp aus rosa Zistrosen und weißen Myrten. Welcher der beiden Wege denn so heiße, fragte Burbacki ängstlich in zarter piepsiger Stimme, als fürchte er Geister zu wecken.
-- ,,In beiden Richtungen'', zerstört Garda seine Hoffnungen. ,,und wir nehmen beide Richtungen. In zwei Gruppen!''
Nun gelte es festzulegen, wer in welcher Gruppe mitginge, sagt Garda, die aber von Gumbrecht unterbrochen wird.
-- ,,Da fällt mir ein interessantes Rätsel ein ...'', beginnt Gumbrecht, ohne die entsetzten Blicke der anderen wahrzunehmen,
-- ,,Hoffentlich nicht wieder eines von denen, die keiner versteht!'', sagt Frauke, die enttäuscht war, da sie nun nicht mehr über die magische Natur des Weges philosophieren könnte.
Frauke schaut strafend abwechselnd Gumrecht und Frauke an. Während Frauke betroffen schweigt, fährt Gumbrecht jedoch unbeirrt fort. An einer Weggabelung, so wie zum Beispiel dieser, stünden zwei Wächter. Der eine Weg führe direkt in die Hölle oder das Verderben, während der andere das Leben und mehr noch, ewige Glückseligkeit verspreche.
-- ,,Also ich möchte gerne in Dr. Wolffs Gruppe mitmachen!'', ereiferte sich Lutz Willach.
-- ,,Also Lutz, wenn Sie wollen, kann er in IHRER Gruppe mitmachen!'', sagt Garda.
-- ,,Wie meinen Sie das?'', fragt Wolff, während Lutz zu überrascht ist, um zu reagieren.
-- ,,Was glauben Sie denn?''
-- ,,Ich meine, dass es doch bereits so etwas wie Strukturen in der Firma gibt! Strukturen die sich bewährt haben ...''
-- ,,Und deshalb sollte ich Ihnen, Winnfried, die Führung der Gruppe anvertrauen'', sagt Garda während Wolff zustimmend nickt. ,,Nein, in diesem Seminar geht es ja gerade darum mit ungewohnten Situationen zurechtzukommen und deshalb ...''
Also ihm sei es auch recht, wenn Dr. Wolff die Leitung der Gruppe übernehme, unterbricht sie Lutz.
-- ,,Und die andere Gruppe?'', fragte Frauke.
-- ,,Sie!'', antwortet Garda.
-- ,,Ich meinte, wer soll die Leitung der anderen ...''
-- ,,Sie sagte ich doch!''
-- ,,Wer will kann aufhören? Oder nicht? Sagten Sie doch?'', sprudelt es plötzlich beinahe hysterisch aus Burbacki hervor. ,,Hat keine Auswirkungen? ...In der Firma?'',
Es scheint als habe Gumbrecht weder Gardas Gruppenaufteilung noch Burbackis Äußerungen mitbekommen. Niemand hört ihm zu, aber er versucht weiter die anderen für sein Rätsel zu gewinnen. Er beginnt wieder am Anfang mit seinen Erklärungen, so als habe man ihn gebeten alles nochmals zu erklären.
-- ,,Also Rainer, keine Ahnung was das für Auswirkungen für Sie haben wird!?'', sagt Garda zu Burbacki.
-- ,,und der Firma ist es auch egal?''
-- ,,Wie die Verantwortlichen in Ihrer Firma ihr Verhalten beurteilen, kann ich nicht sagen. Begeistert werden sie sicherlich nicht sein'', entgegnete ihm Garda.
-- ,,So etwas kann doch keine Firma von einem verlangen?'', fragt Burbacki und schaut Zustimmung heischend in die Runde.
-- ,,Was verlangt man denn so Unmögliches von Ihnen?'', fragt ihn Wolff.
Burbacki findet in den Blicken der anderen nur Rat- und Verständnislosigkeit sowie Verachtung. Dann sagt er, dass er gehe. Niemand könne ihn halten.
-- ,,Der erwartet, dass wir ihm nachrennen?'', sagt Garda, als Burbacki sich Burbacki bereits auf dem Rückweg befindet. Langsam trottet er, wie ein schmollendes Kind, dass hofft, dass ihm die Mutter oder der Vater nachrennt und ihm sagt, dass sein Wille geschehe.
-- ,,Kommt nicht in Frage!'', sagt Wolff, als liege die Entscheidung bei ihm.
-- ,,Vielleicht sollten wir ihn doch zurückholen?'', meinte Sylvia.
-- ,,Wahrscheinlich kommt der von selbst wieder. Für die Firma geht er auch einen Pakt mit dem Teufel ein!'', sagt Garda lachend.
-- ,,...und wenn nicht ist es besser so, besser für alle! Mit seinen feinen Schühchen kommt der eh nicht weit.'', sagte Wolff.
-- ,,Dr. Wolff soll die Leitung übernehmen!'', wehrt sich Lutz plötzlich vehement. Er könne und wolle das nicht! Wie als suche er Schutz, hatte er sich hinter Wolff gestellt.
-- ,,Ein Grund mehr, dass sie es also versuchen sollten!''
Sylvia war Burbacki hinterher gelaufen, um ihn zurückzuholen. Kindisch und unverantwortlich sei das Verhalten von Burbacki, ereiferte sich Wolff und ihm jetzt noch nachzulaufen sei eine Schande. Burbacki sei selbst seines Glückes Schmied. Es finge doch schon mit der Kleidung an. In Abendgarderobe durch den Dschungel, sei lächerlich. Statt am Vorabend durch Mobilfunkläden zu stöbern, hätte Burbacki sich auch ein paar ordentliche Wanderschuhe kaufen können. Aber er hätte es ja besser gewusst. Wolff zitierte Burbackis `Das wird schon nicht so wild werden. Italiener laufen nicht gerne! Die fahren mit dem Auto bis kurz vorne dran. Laufen dann ein paar Meter und nennen das Wanderung!' Als Wolff sagte, dass er selbst sich schließlich richtig ausgerüstet habe, fingen alle laut an zu lachen. Wolff hatte einen Großeinkauf in einem Laden mit amerikanischem Militärzubehör gemacht. Tarnanzug, Militärstiefel, Schweizer-Messer, Revolver mit Leuchtmunition.
-- ,,Die richtige Kleidung für einen Schauspieler, der die Hauptrolle in einem Abenteuerfilm hat, das `Geheimnis des verlorenen Schatzes' oder so.'', sagte Sylvia, die mittlerweile mit Burbacki wieder zurückgekommen war, unter allgemeinem zustimmenden Gelächter.
Wolff erwidert bissig, dass Sylvia mit ihrem kurzen Kleid und nackten Beinen auch sehr gut die Rolle der sexy-Begleiterin in einem solchen Hollywoodschinken spielen könnte. Eine von denen, die stundenlang durch das Unterholz Dschungel irrten, durch Sümpfe wateten und anschließend immer noch mit tadellose Frisur glänzten, keinen Kratzer an ihrem Körper aufzeigten und falls ihre Kleidung überhaupt irgendwelche Risse zeigte, dann nur, um mehr Busen oder mehr Bein zu zeigen.
-- ,,Gegen eine Rolle in einem Hollywoodstreifen, habe ich nichts einzuwenden.'', sagte Sylvia, die unbeachtet von Wolff mit Burbacki zurückgekommen war. ,,Am liebsten, wenn Sie den bösen Schurken spielen, den ich laut Drehbuch verfolgen und zur Strecke bringen darf!''
Wolff war zusammengescheckt, als er ihre Stimme hörte, und dann sah es für einen kurzen Moment so aus, als wolle er ihr im allgemeinen Gelächter nochmals antworten, aber dann zieht er es doch vor schweigen. Gumbrecht sieht wieder seine Chance, mit seinem Rätsel weiterzumachen.
-- ,,Man zeigt auf einen Weg und die entscheidende Frage an einen der Wächter laute: Würde mir der andere diesen Weg empfehlen?''
So als hätten die anderen nachgefragt, begann er mit einer Astgabel, die er zuvor gesucht hatte, eine Wahrheitsmatrix auf den festgestampften Boden zu kratzen. Die einzige die ihm zuschaute und zuhörte war Frauke. Es sei egal, wen man frage.
-- ,,Egal welcher Wächter ja sagt, nimm den anderen Weg. Sagt einer nein, ist das die richtige Alternative!''
-- ,,Funktioniert aber nur, wenn beide Wächter jeweils die Charaktereigenschaft des anderen kennen!'', sagte Cedrik.
-- ,,Und außerdem, muss der Lügner ein einfacher Lügner sein. Ich meine, jemand, der einfach nur immer das Gegenteil von dem sagt, was wahr ist. Wenn es jemand ist, der mit seiner Antwort den Fragenden bewusst in die Irre locken will, dann funktioniert es doch wohl nicht mehr?'', stellte Frauke fest.
Gumbrecht war begeistert von ihren Fragen und sagte, das er es so noch nie gesehen habe.
-- ,,Also, dann lassen wir doch die beiden Damen, die Gruppen zusammenstellen!'', sagte Garda, nachdem Lutz immer energischer widersetzte.
-- ,,Lutz und ...Wolff können bei mir mitkommen!'', sagte Sylvia.
-- ,,Cedrik und Herr Gumbrecht!'', wählte Frauke.
-- ,,Warum es denn überhaupt zwei Gruppen sein müssten?'', wollte Rainer Burbacki wissen. Vor allen Dingen, weil er fürchtete, dass ihn niemand haben wollte.
Ziel sei die Teamstärkung, saggte Garda. Es gelte eine Situation zu schaffen, in der jeder auf jeden angewiesen ist, wo es erst gar keine Möglichkeit gibt Entscheidungen aufzuschieben. Sie sollten lernen, dass sie im Team stärker sind. Aber dennoch musste der Druck durch ein konkurrierendes Team existieren. Garda verglich es mit zwei konkurrierenden Firmen. Beide würden stark durch Konkurrenz, das sei das Wesen unserer Marktwirtschaft gatte Garda gesagt. Den Einwand von Gumbrecht, dass es sich doch auch um zwei konkurriende Abteilungen zum Wohle der Firma handeln könnte, ließ sie nicht gelten. Zwei Abteilungen im Konkurrenzkampf würden die Firma schwächen, dass sei so wie Einzelkämpfer, die nicht teamfähig seien. Cedrik sagte, dass er das höchst widersprüchlich fände, wie die gesamten Hymnen auf den freien Markt. Wenn es volkswirtschaftlich einen Vorteil bringt, wenn sich zwei Firmen bekriegen, dann müsste es doch auch einer Firma, gewissermaßen einer Minivolkswirtschaft, einen Vorteil bringen, wenn einzelne Abeilungen oder Sparten in Konkurrenzsituation zueinander stünden. Das gleiche gelte natürlich auch für die individuelle Ebene. Garda hatte seinen Einwand brüsk abgewehrt, denn sie wolle keine politische Diskussion führen.
Es war klar, dass keine der beiden Gruppen Burbacki im Team haben wollte. Garda sagte deshalb zu ihm, dass er wählen dürfe, in welcher Gruppe er mitgehen wolle.
Welcher Weg denn weiter sei, wollte Burbacki von Garda wissen, nachdem er sich damit abgefunden hatte, dass es zwei Gruppen sein müssen.
-- ,,Und wenn ich Ihnen nun sagte, dass der linke weiter sei, würden Sie den rechten nehmen? Was wenn der aber viel beschwerlicher wäre!''
-- ,,Aber das ist dann nicht fair, wenn die Wege so verschieden sind. Dann haben beide Gruppen unterschiedliche Voraussetzungen!'', maulte Burbacki, der sich in seiner Fantasie wohl schon auf dem beschwerlichen Weg in die Hölle sah.
© Bernd Klein