In der Landhaus-Ruine

-- ,,Duckt euch!'', warnte Gumbrecht, der durch den scheibenlosen Fensterrahmen gespäht hatte und dann erschrocken zur Seite wich.

Eigentlich kam seine Warnung völlig unnötig für Frauke und Cedrik, denn diese hockten bereits auf dem nackten Boden des halbzerfallenen Hauses. Man konnte sie von außen nicht sehen. Über ihnen der blaue Himmel, denn das Dach war wohl schon vor langer Zeit eingestürzt oder vielleicht auch abgedeckt worden, weil jemand die Ziegel brauchte. Auf dem Boden lagen nur Ziegelscherben. Die Ruine stand inmitten einer weiten Wiese. In der Mitte des Raumes hatte sich ein noch kleiner Baum seinen Weg durch den Beton gekämpft. Dennoch hatte die Ruime von weitem wie ein bewohntes Landhaus gewirkt.

Sie hatten lebhaft diskutiert, ob es sinnvoll sei, die Polizei zu informieren. Cedrik hatte gesagt, dass sie es doch gewesen seien, die in den Shop eingedrungen waren. Das sei auf jeden Fall Hausfriedensbruch, wenn nicht sogar Einbruch und außerdem hätten sie sich der Freiheitsberaubung schuldig gemacht. Sie hatten den Kleinen an einen Stuhl gefesselt mit einem Knebel im Mund im Laden zurückgelassen.

-- ,,Okay!'', gab Gumbrecht vom Fenster wieder Entwarnung, ,,es sind nur zwei Mountainbiker! Weiß der Geier, weshalb die ausgerechnet über diese Wiese fahren. Für einen Moment sah es so aus, als wollten die hierher kommen, aber jetzt fahren sie anscheinend doch weiter.''.

-- ,,Er hatte uns mit seiner Waffe bedroht und wir handelten in Notwehr!'', knüpfte Frauke wieder an ihre vorherige Diskussion an.

-- ,,Notwehr gibt's nicht für Diebe!'', widersprach Cedrik sofort.

-- ,,Das sind Antiquitätenschmuggler, und wir müssen sie anzeigen!'', sagte Gumbrecht.

-- ,,Was nicht bewiesen ist. Angenommen in dem Raum waren wirklich illegale Antiquitäten. Bis wir die Polizei verständigt haben und die dort auftaucht, haben die den Raum längst leergeräumt. Wir haben nichts in der Hand gegen sie.'', räumte Cedrik ein.

-- ,,Doch, haben wir!'', sagte Frauke lachend, und öffnete ihre linke Hand, in der sie das etruskische Kreuz hielt.

Sie habe es die ganze Zeit mit sich herumgeschleppt. Unwillkürlich. Es war als hätte es an ihrer Hand geklebt. Es sei die Angst gewesen und das Kreuz habe ihr merkwürdigerweise Halt gegeben.

Cedrik konnt Frauke nicht verstehen. Verstand sie nicht, was passieren würde, wenn sie die Polizei einschalteten? Die Grabräuber hatten Wolff weggeschafft und wussten sie genau Bescheid, was passiert war. Vielleicht hatten sie sogar alles beobachtet gehabt. Wenn es ihnen oder Gumbrecht gelänge die Bande hochgehen zu lassen, würden die anschließend bahaupten, dass es Mord gewesen sei. Sie würden bezeugen es gesehen zu haben.

-- ,,Sieht jemand von euch einen Polizeiposten? Überhaupt irgendein Haus? Ich sehe nur Wald! Also ist die Diskussion völlig verfrüht. Lasst uns erst einmal ein Haus oder ein Dorf finden, dann können wir weiterreden!'', sagte Cedrik. ,,Außerdem sind wir hier in Italien, da weiß man doch, wie das mit organisiertem Verbrechen und der Polizei geht.''

-- ,,Also wir sind in der Toskana nicht in Palermo!'', entgegnete Gumbrecht

-- ,,Am Schluss stehen wir noch als die eigentlichen Verbrecher da. Wer weiß, was die uns anhängen werden.'', fuhr Cedrik ungerührt fort.

© Bernd Klein