Wie auch beim letzten Mal war Frau Maurer-Küppers am telefonieren. Aber diesmal nicht ganz so vertieft, denn sie nickte ihm geschäftsmäßig freundlich zu, gestikulierend, dass er sich noch einen Moment gedulden solle. Dieses Mal hatte sich Cedrik, wie sie es erwartet, vorher einen Termin geben lassen und wartete geduldig bis sie ihr Telefongespräch beendet hatte. Noch während sie den Hörer auflegte, sagte sie ihm, dass er noch warten müsse, da Herr Baumeister ebenfalls ein Telefongespräch führe. Durch einen riesigen Rosenstrauch, den Sie auf dem Empfangstresen stehen hatte, beobachtete er, wie Sie geschäftig Papiere ordnete und immer wieder etwas in ihren Computer eintippte. Sie lächelte unaufhörlich. Hatte er sie schon jemals gesehen, ohne dass sie lächelte? Vielleicht war ihr Gesicht vor langer Zeit in dieser Mimik festgefroren, oder sie hatte es mit ihrer Schminke festbetoniert. Cedrik kannte keine Frau, die so intensiv und gleichzeitig so perfekt geschminkt war. Außerdem war sie immer mit Schmuck vollbehangen wie ein Weihnachtsbaum. Mit jeder ihrer Bewegungen intonierte sie mit ihrem Gehänge die Geräuschkulisse von Jingle-Bells. Ebenso wie ihr Äußeres staffierte sie auch ihre Sprache mit modischen Wendungen aus. Als Cedrik sie anrief, um einen Termin auszumachen, fragte sie zuerst, um welches Topic es denn ginge. Dann sagte sie, dass sie checken würde, wann der Boss ein freies Date habe. Während sie ihren Kalender -- oder besser in ihrem Jargon ,,Timer'' -- anschaute, murmelte sie vor sich hin, dass dies ,,nicht wirklich fun'' mache. Cedrik verstand, dass sie irgendetwas vergessen habe ``upzudaten'', weil ihr Boss doch zu der Zeit in einem Workshop sei. Ein anderes ,,Date'' musste deshalb von ihr ,,gecancelt'' werden. Nun könne sie diese Lücke ja ,,recylen'' für Cedriks Date. Freitagnachmittag nach dem Lunch kurz vor Beginn des Weekends, wie sie sagte. Es ginge ja bestimmt nicht so lange, hatte sie ihn fast drohend gefragt und Cedrik biss sich auf die Zunge um nicht zu sagen ,,just a quickie!''. Aber neben Denglish war für sie kein Modewort zu platt. In ihren E-Mails bittet sie darum Meeting-Rooms, deren Belegungspläne ihrer Kontrolle unterstehen, ,,möglichst zeitnah'' zu reservieren und meint damit ,,so früh wie möglich''. Wenn es dann Doppelbelegungen gibt, dann spricht sie davon, dass ein ,,zeitgleiches'' Meeting nicht möglich sei. Aber dass dies möglich ist, erlebt Cedrik bei jeder sogenannten Montagsbesprechung von Gumbrecht, jede dieser Abteilungsbesprechungen ist ,,zeitgleich'' zur Vorwoche. Obwohl nur für eine Stunde terminiert, beginnen sie um 14 Uhr und ziehen sich in qualvoller Monotonie scheinbar endlos hin, bis sie dann doch immer exakt um 16.45 Uhr enden. Wahrscheinlich würde Gumbrecht kein Ende finden, wenn er nicht einen weiteren Termin um 17 Uhr hätte.
Auch wenn sie so beschäftigt wirkte, bemerkte Cedrik, dass sie ihn immer wieder aus den Augenwinkeln beäugte. Cedrik beobachtete sie kontinuierlich, denn er hatte nichts anderes zu tun. So sei der Boss halt, sagte sie nach einer Weile. Wenn er am ,,Phone'' sei, sei er kaum zu stoppen. Klaro, manchmal müsse sie ihn ,,canceln'', aber in diesem Fall sei das nicht möglich. Sie nannte ihm mit bedeutungsvollem Augenaufschlag und Kopfnicken einen Namen, so als müsse jeder ihn kennen und in Ehrfurcht versinken, aber Cedrik kannt ihn nicht.
Auch wenn der Macht ausstrahlende Prunk in Baumeisters Büro seine Wirkung auf Cedrik nicht ganz verfehlte, so war er dennoch weniger beeindruckend als beim ersten Mal. So schien der Teppichboden nicht ganz so flauschig und der Raum ein paar Golflöcher kleiner als er es in Erinnerung hatte aber dennoch groß genug für eine ausgedehnte Minigolfanlage. Sein Blick richtete sich unwillkürlich zuerst auf den riesigen antiken Mahagoni-Schreibtisch, hinter dem ein lederner Chefsessel stand, Modell ,,Chairman'' in grün gealterten Leder. Cedrik konnte sich vorstellen, dass ein moderner König einen solchen Sessel durchaus als Tron verwenden könnte. Ein Thron, den man auf seinen fünf Rollen durch den Audienzsaal fahren könnte. Ein Sessel mit einer weit hochragenden Rückenlehne, auf dem auch ein Hüne vollständig versinken würde. Bei einer Burgführung hatte Cedrik einmal erfahren, dass die Rückenlehne von Machthabern deshalb so hoch und holzverstärkt gewesen seien, dass niemand ihnen von hinten einen Dolch in den Rücken stoßen könnte. Auch wenn Baumeister sicherlich ebenso viele Feinde wie ein mittelalterlicher Lehnsherr hatte, dachte Cedrik, brauchte er sich davor nicht mehr zu fürchten, denn die Zeiten in denen man mit dem Dolch, eine Machtablösung initiierte waren vorbei. Aber Baumeisters Thron war leer. Cedrik schaute sich suchend umher, und wunderte sich, dass ihn Frau Maurer-Küppers scheinbar in ein leeres Büro gelassen hatte. Aber in diesem Moment kam Baumeister hinter einem Bücherregal hervor, von wo aus er Cedrik beobachtet hatte. Ein großes Regal, das wie in einer Bibliothek frei und damit beidseitig benutzbar in den Raum ragte. Das war also Baumeisters Versteck, dort hätte er sich auch bei seinem ersten unangemeldeten Besuch versteckt haben können, dachte Cedrik.
-- ,,Ich grüße Sie, Herr Dumotel! Schön, dass sie zu mir gefunden haben!'', sagte Baumeister, während er ihm kurz aber überschwänglich die Hand schüttelte. ,,Ich habe Ihnen noch was zu lesen geholt. Ich hörte, dass auch Sie anderen gerne Lektüre verordnen! Aber nehmen Sie doch Platz ...''
Also hatte sich Wolff bei Baumeister ausgeheult, dachte Cedrik verärgert. Der kleine Baumeister versank in seinem Sessel. Entweder musste der Sessel riesig sein oder Baumeister ein Zwerg, dachte Cedrik. Schon als er vom Regal auf ihn zugekommen war, erschien er ihm pygnisch. Schmale Schultern und weiblich breite Hüften. Außerdem spannte sich der Knopf seiner Jacke über einem Kugelbauch. Plötzlich fühlte sich Cedrik überlegen trotz allen Insignien der Macht in Baumeisters Büro. Dieses kleine Männchen mit den stechenden Augen unter fast wimperlosen Lidern, mit einem nahezu quadratischen Kopf, der fast halslos mit den schmächtigen Schultern verbunden schien, war ihm körperlich unterlegen. Baumeister musste Cedriks Verachtung gespürt haben, denn er schüttelte sich und vertiefte sich, wie als wolle er einen Blickkontakt vermeiden, in das vom Regal mitgebrachte Buch. Baumeister
Cedrik versuchte vergeblich den Titel des Buches zu erhaschen. Wenn Sie einen Kaffe oder etwas Süsses mögen, sagte er aufschauend mit einer einladenden Handbewegung in Richtung Thermoskanne, um die einige Tassen und ein Teller mit Keksen standen. Cedrik lehnte dankend ab, da er eben erst eine Tasse getrunken habe.
-- ,,Also, zum Grund ihres Besuches ...''
-- ,,Ich bin gekommen, um ...''
-- ,,Ich weiß, ich weiß!'', unterbrach ihn Baumeister ,,Sie wollen mich aufklären, dass die Studie von Bellinger nichts taugt!''
Von einem doppelsinnigen Lachen Baumeisters inspiriert, stellte Cedrik seine Frage:
-- ,,Sie halten auch nichts von der Studie und dem Algorithmus von Bellinger?''
-- ,,Das habe ich nicht gesagt!'', sagte Baumeister grinsend und schob dabei das Buch zu seinem Gegenüber.
-- ,,Lesen Sie dieses Buch und dann unterhalten wir uns wieder über den Fall Bellinger!'', sagte Baumeister zu dem verdutzt blickenden Cedrik.
Cedrik nahm das Buch und begann den Schutzumschlag zu überfliegen. Dort wurde ihm versichert, dass der Autor ,,Michael Pratt'' selber lange Jahre in der Entwicklung gearbeitet habe und über einen excellenten betriebswirtschaftlichen Hintergrund verfüge. ,,Wolkenkuckucksheim'' sei ein Buch von jemand, der es besser wisse. Er wisse wovon er schreibe. Entwickler lebten in einer für die Firmen gefährlichen Realitätsferne. Wie Aristophanes Vögel Athen im Kot zu ersticken drohten, so lähmten die Entwickler die Firmen durch ihre Spielereien. Programme, die keinen Kundennutzen hätten und nur der Erbauung der Entwickler dienten.
-- ,,Das ist auch ihre Sicht der Dinge?'', fragte Cedrik Baumeister, der mit unverhohlenem Interesse Cedriks Reaktion studierte.
-- ,,Lesen Sie es erst einmal und dann reden wir weiter!'', sagte Baumeister.
Aber in Baumeisters Gesicht stand ein klares Ja geschrieben. Cedrik glaubte auch ein ,,Vor allem Entwickler wie Sie Herr Dumotel!'' in seiner Gestik zu erkennen.
Baumeister begann nun in seinen Akten zu stöbern, so als betrachte er damit die Unterhaltung für beendet.
-- ,,Ich wollte mich mit Ihnen über Dr. Wolff und die Bellinger-Studie unterhalten ...'', versuchte Cedrik dennoch auf den Grund seines Besuches zu sprechen zu kommen, obwohl er das Gefühl hatte gehen zu müssen.
-- ,,Dr. Wolff hat mir ausgiebig Ihren Standpunkt geschildert. Ich verstehe ...zumindest ansatzweise Ihre Bedenken, aber ich kann Ihnen versichern, dass Bellinger weiß, wovon ...''
-- ,,Also Wolff ist nicht mein Anwalt!'', sagte Cedrik und ärgerte sich sofort über die Wortwahl, denn er musste sich nicht verteidigen, ,,Also am besten kann ich wohl selbst meine Gedanken vertreten!''
-- ,,Bitte!'', sagte Baumeister, wobei er ihm einladend zwei offene Hände entgegenstreckte.
-- ,,Das ist Quatsch was Bellinger verzapft, egal was Wolff Ihnen erzählt hat. Man kann mathematisch beweisen, dass jede Lösung dieses Problems ein exponentielles Verhalten hat, und damit nicht von Computern praktikabel berechnet werden kann!''
-- ,,Vor ein paar Tagen habe ich mich zu diesem Thema mit ein paar hochkarätigen Experten von Microsoft unterhalten. Die versicherten mir, dass man mit einem gewaltigen Sprung in der Hardwareentwicklung rechnen können und dann ...''
-- ,,Microsoft macht Software! Was sollen die über Hardware ...''
-- ,,und Hardware! ...'', entgegnet Baumeister ,,Die machen auch Hardware!''
-- ,,Außerdem, das Problem hat überhaupt nichts mit Hardware zu tun!''
-- ,,So? Womit denn sonst? Sie sagten doch, dass die jetzige Hardware zu langsam sei und ...''
-- ,,Das ist mir neu! Wolff sagte vielleicht, dass ich dies gesagt hätte, aber ich habe nie ...''
-- ,,Aber mit schneller Hardware kann man das Problem in den Griff bekommen!''
-- ,,Blödsinn!'', schrie Cedrik beinahe und er sah, wie Baumeister zusammenzuckte, ,,Auch wenn die nächste Computergeneration 100 Mal so schnell wäre, ja 1000 Mal so schnell, ließe sich dieses Problem nicht für die Praxis realisieren. Bellinger hat keine Ahnung oder er ...''
-- ,,Bellinger ist schließlich Professor!'', unterbrach ihn Baumeister.
-- ,,Oh ja! Das beeindruckt auch unseren DOKTOOOOOR Wolf!'' und kurz darauf spöttelte Cedrik ,,Und wenn ein Doktor und ein Professor sagen, dass sich die Sonne um die Erde dreht, dann tut sie es!''
Auch wenn er noch nie viel von Baumeister gehalten hatte, so sank Cedriks Einschätzung seiner fachlichen Kompetenz nun ins Bodenlose. Geringschätzung oder mehr noch Verachtung war es, was er für Baumeister empfand. Baumeister startete einen Monolog oder besser ein Loblieb auf die Leistungen von Professor Bellinger. Gleichzeitig begann er, wie in Reaktion auf Cedriks Verachtung, sich selbst zu loben. Cedrik bemühte sich um einen neutralen Gesichtsausdruck, versuchte sich abzulenken und betrachtete die Gemälde hinter Baumeisters Schreibtisch. Moderne Kunst. Im Büro hingen mehrere Gemälde desselben Künstlers. Ihre Firma betätigte sich immer wieder als Kunstmäzen, indem sie Künstler damit beauftragte, die Produkte und die Aufgabenfelder der Firma auf Leinwand, Fotos oder Skulpturen zu bannen. Aber den Bildern in Baumeisters Büro fehlte der Biss des Kunst, dachte Cedrik. Ein Stil, den Cedrik als Mischung zwischen russischen Revolutionsschwulst und einer naiven Adaption des Postimpressionismus à la Vincent van Gogh einstufte. Jedes Bild ein unkritisches Loblieb auf den Auftraggeber. Auf einem Bild glänzte das Verwaltungsgebäude der Firma in kitschiger Sonnenaufgangsstimmung und auf einem anderen Bild sah man Arbeiter an modernen Produktionsanlagen in heroischen Posen, wie es einem Mao oder Stalin gefallen hätte. Cedrik stört am meisten, dass allen Bildern etwas laienhaftes anhaftete. So als habe es dem Künstler oder der Künstlerin an den handwerklichen Fähigkeiten gefehlt.
-- ,,Dora Sarta!'', sagt Baumeister nach einer Weile und fügt dann hinzu, weil Cedrik ihn fragend anschaut: ,,Die Künstlerin, die heißt Dora Sarta. Nein, eigentlich heißt sie Dorothe Schneider, aber das eignet sich nicht als Künstlername ...''
-- ,,Noch nie gehört!'', sagt Cedrik und im Prinzip wollte er sich den Namen auch nicht merken.
-- ,,Ein Name, den Sie sich merken sollten!'', sagte Baumeister.
Er habe ihr im letzten Jahr zu einer Vernissage in ihrer Firma verholfen mit großem Presseempfang und so weiter. Baumeister putzte sich umschweifend als Mäzen der Kunst raus, obwohl Dora Sarta, alias Dorothe Schneider, die einzige Künstlerin war, die er gefördert hatte. So wie Cedrik später im Gespräch mit Kollegen und Kolleginnen erfuhr, lagen Baumeisters Interessen auch weniger in ihren Werken sondern an ihrer Person.
-- ,,Manchmal muss man dem Glück junger Künstler ein wenig auf die Sprünge helfen!'', sagte Baumeister.
Baumeister schaute Cedrik an, als erwarte er dessen Bewunderung. Wenn Cedrik den Gerüchten trauen konnte und daran hatte er wenig Zweifel, dann hatte Baumeister vor allem seinem eigenen Glück, oder seinem eigenen Liebesglück auf die Sprünge geholfen. Er lernte sie auf einem Betriebsfest kennen, die Frau eines Meisters aus der Fertigung. Sie unterhielten sich blendend, er protzte mit seinen Leistungen als Entwicklungsleiter und dann war er, obwohl er noch nie ein Kunstmuseum von innen gesehen hatte, hingerissen von ihren Ansichten zur modernen Kunst. Während sie von ihren Ambitionen schwärmte, klebte er an ihren Lippen und immer wieder auch an ihrem Busen, Hüften und Beinen.
-- ,,Tolle Bilder! Finden Sie nicht? ...Übrigens eine fantastische Persönlichkeit die Dora ...'', schwärmte Baumeister.
So wie Baumeister und Dora bei der Vernissage auftraten war klar, dass Baumeisters Hoffnungen an die ,,Kunst'' sich erfüllt hatten. Fast jeden Tag während die Ausstellung währte, war Dora bei ihren Bildern und zufälliger Weise auch Baumeister. Meistens sah man sie anschließend gemeinsam in Baumeisters Wagen wegfahren. Die Ausstellung hatte Dora nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Außer den Bildern, die Baumeister großzügig im Namen und auf Rechnung der Firma kaufte, konnte sie kein Bild verkaufen. Was sie aber am meisten schmerzte war die Tatsache, dass es auch kein weiteres Interesse an ihrer Kunst von Galleristen oder den Medien gab. Ihrem Glück, was die Kunst beraf, hatte Baumeister nicht auf die Sprünge geholfen. Ihr Eheglück endete, als ihr Mann sie wegen Baumeister verließ. Auch Baumeisters Liebe zu ihr erkaltete kurz nach den wenigen Wochen, die die Ausstellung währte. Sie lebte alleine mit ihrem dreijährigen Kind in einer Zweizimmerwohnung, in der ihr Schlafzimmer sowohl als Atelier als auch als Kinderzimmer diente.
-- ,,Also meine Meinung zur moderner Kunst ist wirklich irrelevant!'', entgegnete Cedrik ,,Mein Kompetenzfeld sind Algorithmen! Und ich sage Ihnen, was ...''
-- ,,Wahrlich, wahrlich, ich sage euch!'', litanierte Baumeister und fügte dann scharf hinzu ,,Sie sind verdammt hartnäckig!''
Cedrik schwieg und Baumeister sagte daraufhin, dass er das Thema nun für beendet halte und sagte noch zur Bekräftigung, dass die Arbeiten von Dr. Wolff und Prof. Bellinger sein vollstes Vertrauen genössen.
Cedrik schluckte irritiert und Baumeister fügte dann hinzu ,,So wie ich auch ihre Arbeit respektiere!''
Mit respektieren meinte Baumeister ,,tolerieren'' oder ,,dulden''. Sein Respektieren hatte nichts mit Respekt gemein. Mit einem Mal war ihm klar, dass Baumeister ihn nicht schätze.
Während sich sein Magen verkrampfte, hörte er Baumeister sagen, dass es der Firma mehr bringen würde, wenn er sich mehr mit seinen eigentlichen Aufgaben befasste.
-- ,,Auch wenn andere dabei sind der Firma zu schaden?''
-- ,,Also ich bitte Sie!'', entrüstete sich Baumeister ,,Jetzt gehen Sie wirklich zu weit!''
-- ,,Weggeworfenes Geld! Die ganze Studie bei diesem Scharlatan! ...Aber jetzt wäre noch Zeit diesen Schwachsinn zu stoppen!''
-- ,,Ob das Geld gut angelegt ist, lassen sie das doch bitte meine Sorge sein!'', sagte Baumeister.
Er begann demonstrativ in seinen Papieren zu kramen, so als müsse er jetzt weiterarbeiten. Dann fragte er wieder in gespielter Freundlichkeit, ob es noch einen weiteren Punkt gäbe, den er besprechen wolle.
-- ,,Wir sind noch nicht fertig mit dem Thema ...''
-- ,,Sehen Sie mal Herr ...'', Baumeister machte eine kurze Pause ,,Herr Cedrik. ...''
-- ,,Dumotel!'', korrigierte ihn Cedrik.
-- ,,Bitte?''
-- ,,Dumotel heiße ich!''
-- ,,Egal! ...Also Herr Dumotel. Meistens gibt es nun mal mehrere Ansichten. Im Geschäftlichen gibt es selten ein richtig oder falsch. Wichtig ist, dass man eine Sache konsequent anpackt ...''
-- ,,Wir reden hier von einem Algorithmus und da gibt es sehr wohl richtig oder falsch oder besser `geht oder geht nicht'! ...Und das was Bellinger verzapft geht nicht! Auch nicht mit Konsequenz!''
-- ,,Schön ich habe Ihre Meinung nun zur Kenntnis genommen!''
-- ,,Das ist nicht meine MEINUNG. Hier geht es nicht um persönliche Meinungen. Die Unmöglichkeit dieses Problem algorithmisch praktikabel zu lösen ist eine beweisbare mathematische Tatsache!''
-- ,,Vielen Dank für Ihre Meinung! Kann ich sonst noch etwas für Sie tun!''
-- ,,Verdammt noch mal! Sie sollen nichts für mich tun, sondern für die Firma!''
-- ,,Gilt natürlich im besonderem auch für Sie!'', sagte Baumeister offen drohend.
-- ,,Ich glaube nicht, dass das in Frage steht!''
-- ,,Wenn wir mal ihren Chef '', wobei Baumeister abschätzig grinste, ,,außer Acht lassen, dann sind wohl die meisten Leute in der Firma der Meinung, dass Sie sich mit Dingen beschäftigen, die der Firma nichts bringen. ...Algorithmische Spielereien und so ...''
-- ,,Leute wie Dr. Wolff? ...Leute die nicht einmal wissen wie man das Wort Algorithmus schreibt sollten lieber schweigen!''
Damit meinte er natürlich vor allem auch Baumeister selbst. Aber er brauchte es nicht auszusprechen. Cedrik war sich sicher, dass seine Blicke, seine Mimik und seine Gestik ebenso eindeutig waren! So wie er spürte, dass Baumeister ihn nicht ausstehen konnte, so musste auch der seine Antipathie spüren, immer schon gespürt haben. Zum Beispiel als er das Büro betrat und sich fragte, wie so ein Typ an eine solche Stelle gekommen sein konnte. In den wenigen Besprechungen, in denen sie gemeinsam gewesen sind, musste Baumeister gespürt haben, dass er ihn verachtete. So wie auch er immer, wenn er es auch verdrängt hatte, gefühlt hatte, dass ihn der Entwicklungsleiter ebenso verachtete. Sie konnten sich wechselseitig nicht riechen.
© Bernd Klein